Im Freibad
Nach dem Tauchen im Schwimmerbecken bin ich etwas aufgedreht. Wir laufen zum Kiosk und kaufen Mäusespeck und Waffelbruch. Ralf schlingt seinen Arm um meine nassen Schultern. Zwischen den drei großen Steinen legen wir uns dicht aneinander. Unsere Zehen und Finger berühren sich. Micki und Carsten kauern auf einem der Felsen.
„Die lieben sich, die lieben sich“, plärren sie albern, wie Mädchen.
„Lass sie“, beruhigt mich Ralf heroisch, als ich aufspringen und ihnen den Mund zuhalten will. Er hält mir seine Tüte mit gebrochenen Waffeln hin. Er besinnt sich anders und steckt mir ein Stück Waffel mit klebriger Füllung in den Mund. Sorgfältig streicht er rosa Krümel von meinen Lippen und aus dem Ausschnitt meines Bikinioberteils. Das Oberteil trage ich, obwohl Mutter sagt, dass ich ruhig ohne laufen könne, denn da oben sei ja nichts. Doch meine Brustwarzen sind mir peinlich.
„Warum trägst du ein Oberteil?“ fragt Ralf. „Zieh’s doch mal aus, sonst bekommst du Streifen.“
Ich weiß nicht, ob ich mich schäme, doch Ralf zuliebe ziehe ich den roten Stoff über den Kopf, und er hilft mir dabei.
„Hey, du hast ja eine Gänsehaut“, staunt Ralf. „Ich mach dich mal ein bisschen warm, okay?“
Ein bisschen unbeholfen, wie ein Mann, rubbelt er mit beiden Händen auf meinen Hüften und auf meinen unsichtbaren Brüsten herum. Das ist schön. Seine Hände sind zart. Ein Wind lächelt und pustet durch die Eichen in mein Haar. Ich schließe die Augen. Ich mache sie wieder auf. Meine Augen entdecken Ina, Uta und Nikola, meine besten Freundinnen. Ich schiebe Ralfs Hand zur Seite und springe auf. Ich tue, als sehe ich die Mädchen nicht und laufe, nur mit Bikinihose, zu den Freibadtoiletten. Ich pinkele sehr lange. Mein gebräuntes Gesicht begegnet mir staunend im Spiegel. Oh, die ist ja hübsch, denkt eine. Beschwingt gehe ich wieder ins Freie und laufe hinein in Tom.
Tom wird rot. Oder ich. Tom ist schlaksig. Er ist einer von den beiden Jungs in meiner Klasse, die fast genauso gut im Rechnen sind wie ich. Ich habe Respekt vor Tom, weil er offensichtlich denken kann, weil er nicht nur Quatsch erzählt oder dumme Sprüche macht, wie die anderen, die mit Mädchen selten anders reden als mit Deckel hoch, der Kaffee kocht ….
copyright Lelia Strysewske – Im Freibad